
Gerda Lepke. Kalligrafische Flechtwerke

Derart konzentriert sich die Künstlerin in ihrem Œuvre auf Motive, die sie zu immer neuen Werkgruppen verdichtet. Vor allem die menschliche Figur als Kopfstudie, einzelne Figurinen, Paare oder Gruppenbilder sind ihr Thema, aber auch Landschaften mit ihren schier endlosen Himmeln und Natur mit ihrem oft scheinbar undurchdringlichem Geäst gehören dazu. Dabei ist sie fasziniert von deren Transparenz durch Licht und Zeit. Sie ist geradezu eine Himmelssprengerin, denn Festgefügtes und Definitorisches mag sie nicht.
So formt sie unter anderem auf ihren Tuschezeichnungen, Aquarellen, Malereien und Algrafien mittels dynamisch-schwingender Lineaturen bewegte Personagen. Und dann kritzelt, krakelt und kleckst sie auf ihren Blattgevierten und überspannt sie mit Linienschwüngen, Gesprengsel und Gespinsten, lässt die Linien fließen, bündelt die Strichlagen zu dichtem, kalligrafischem Flechtwerk, das in stürmischen Turbulenzen flimmert und vibriert. Mittels Pinselhiebe peitscht und sprenkelt sie Farbspritzer und -tupfer zu nervöser Textur und formt sie so zu kleinteiligen Teppichen. Da ist sie den Impressionisten ganz nah.
Lepke machte Ende der 60er-Jahre an der Dresdner Kunsthochschule Bekanntschaft mit der Kunst internationaler Avantgardisten wie Pollock, Tàpies und Wols, die sie zu ihren eilschriftlich explodierenden Linientänzen bestärkten. Sie galt als unangepasst und zog sich in der Folgezeit mehr und mehr in eine private Nische zurück. 1973 begann ihre produktive Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit Max Uhlig, die das künstlerische Schaffen beider prägte.
Der gesellschaftliche Umbruch von 1989 erweiterte ihre Frei- und Arbeitsspielräume und bescherte ihr größere Erfolge. Mit 21 Künstlerinnen gründete sie die Dresdner Sezession 89, die sich besonders für die Kunst von Frauen engagierte. In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zog sie von der Kunstmetropole Dresden ins heimatliche Gera, wobei Dresden ihr zweiter Wohnsitz blieb.
Ihr Credo: „Ich bin Malerin und führe Selbstgespräche. Beim Malen gibt es einen Zustand des blinden Vertrauens zu mir selbst.“ Kunst also als Ergebnis dieses Urvertrauens. Kunst aber auch als fluoreszierende Daseinsform, als malerische Selbstgespräche: das „Wichtige“, die „Weltformel“ einer bewegten Zeitgenossin.
6.9. – 29.11.2020
Zur Eröffnung der Ausstellung am 6.9.2020 um 11 Uhr laden wir Sie herzlich ein.