Michael Morgner Urknall und Auferstehung
Michael Morgner, Auferstehung, 2007, Tusche, Lavage, Asphaltlack, Prägung auf Bütten, Collage/Décollage © Michael Kurt Thomas Morgner, VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Die Werke zählen zu den Hauptwerken des Künstlers. Das erste Mal präsentierte Michael Morgner die Arbeiten 2009 in der Ausstellung „Reliquie Mensch“ im Meißner Dom. Über weitere Stationen gelangten diese schließlich als Dauerleihgabe in das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus, nicht zuletzt, weil sich der Raum M1 im Dieselkraftwerk bei der umfassenden Ausstellung „Michael Morgner, Joseph Beuys. Existenz = Zeichen = Mensch“ im Sommer 2018 als ideal für deren Präsentation erwies.
Die großformatigen Leinwände sind mit Linien und Formen in schwarzen, braunen und weißen Farbtönen bedeckt. Starke Hell-Dunkel-Kontraste prägen die Kompositionen. Beim Betrachten kristallisieren sich aus dem scheinbaren Chaos einzelne Figuren und Schriftzeichen heraus. Morgners Werke entstehen in einem komplexen und vielschichtigen Prozess. Der Künstler verwendet dabei aufgeraute Büttenpapiere, die mit Hilfe von Schablonen geprägt und anschließend mit Asphaltlack und Tusche getränkt werden. Die Bahnen klebt er auf Leinwände und wäscht die noch feuchte Farbflüssigkeit wieder ab: Eine 1977 von Morgner entwickelte Technik, die er Lavage nennt. Die Papierschichten werden dann partiell wieder abgerissen. Dabei spielte der bewusst gesteuerte Zufall eine wichtige Rolle, der überraschende Strukturen entstehen lässt.
Die unter der Oberfläche liegenden Zeichen schreiben sich in das Material ein, prägen es buchstäblich. In den Buchstaben lassen sich schließlich zwei Worte entziffern: ECCE HOMO „Seht, da ist der Mensch!“. Jene Worte finden sich in der Bibel im Johannesevangelium. Pontius Pilatus spricht sie zum versammelten Volk, dem der gefolterte und mit Dornen bekrönte Christus vorgeführt wird — eine Szene, die in der christlichen Kunst vielfach dargestellt wurde. Morgner fasst das Zitat jedoch jenseits konfessioneller Bindungen und kirchlicher Dogmen in seiner existentiellen Tiefe auf. Der geschundene und leidende Mensch stellt DAS zentrale Thema seiner Kunst dar.
Dies spiegelt sich auch in der Skulptur mit dem Titel „Angst“ wider. In ein wie eine Grabplatte auf dem Boden liegendes Rechteck ist die Negativform einer Gestalt eingeprägt. Deren Gegenpart ist aufrecht stehend auf die Platte montiert und erobert als körperhaftes Liniengebilde den Raum. Die Holzskulptur ist ebenfalls collageartig mit dunklen Papieren beklebt, auf denen sich die Worte „Ich kann nicht mehr“ finden. Das Werk thematisiert sowohl die Angst angesichts des Todes als auch das Aufbegehren gegen das eigene Schicksal.
Michael Morgner (geb. 1942 in Chemnitz, lebt und arbeitet in Chemnitz) kehrte nach seinem Studium an der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig 1966 als freischaffender Künstler nach Chemnitz zurück. 1977 gründete er zusammen mit Carlfriedrich Claus, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke und Gregor-Thorsten Schade die Künstlergruppe und Produzentengalerie CLARA MOSCH (bis 1982). Ab den 1990er- Jahren entstanden zahlreiche großformatige Arbeiten im öffentlichen Raum und mehrere grafische Zyklen.