
Symposium Radikale Ambivalenz Visuelle Strategien der Uneindeutigkeit in rechtsradikalen Bild- und Medienpraktiken
Wenn in der öffentlichen Diskussion von rechtsradikalen Bildern die Rede ist, geht es meist um Bilder mit eindeutiger Botschaft und Wirkung – herabwürdigend, gewaltverherrlichend, rassistisch und antisemitisch. Dazu zählen menschenverachtende Memes, die in einschlägigen Chat-Gruppen zirkulieren, Transparente mit Gewaltfantasien, die auf Demonstrationen unmissverständliche Drohungen visualisieren, oder Bilder und Symbole mit unabweisbarem NS-Bezug. Auf den ersten Blick scheinen Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen den propagandistischen Zwecken rechter Hate Speech zuwiderzulaufen. Doch rechtsradikale Bildpraktiken bedienen sich mittlerweile eines ganzen Spektrums visueller Strategien – und gezielt eingesetzte Uneindeutigkeit gehört dazu: Nicht jedes rechtsradikale Bild ist heute unmittelbar und eindeutig als solches zu erkennen.
Akteur*innen des rechtsradikalen Spektrums haben eine Kompetenz im Umgang mit visuellen Medien erlangt, die immer noch unzureichend analysiert scheint. Sie eignen sich populäre wie subkulturelle Ästhetiken an und codieren sie um. Sie entwickeln Zeichen, Bildwelten und Narrative, die für die viel beschworene gesellschaftliche „Mitte“ anschlussfähig scheinen. Und sie inszenieren gezielt bildmächtige Ereignisse, um ihre visuellen Botschaften in die mediale Bildzirkulation einzuspeisen. Visuelle Uneindeutigkeiten haben dabei strategische Funktionen: Sie schützen die Bilder vor Zensur und deren Produzent*innen vor Strafverfolgung, sie sprechen neue Zielgruppen jenseits einschlägiger ‚Szenen‘ an, und sie schüren ein Klima des Misstrauens und der Verunsicherung der Wahrnehmung, in dem radikalisierte Ideologien vermeintlich an Plausibilität gewinnen.
Der Workshop Radikale Ambivalenz möchte solche Strategien rechtsradikaler Bildproduktion und deren Zirkulation aus bild- und medienwissenschaftlicher Perspektive in den Blick nehmen und nach dem gesellschaftlichen Umgang mit ihnen fragen. Im Dialog zwischen Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Pädagog*innen, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Initiativen wollen wir das vorhandene Wissen über visuelle Strategien bündeln, vertiefen und gemeinsam das Bewusstsein für solche rechtsradikale Bild- und Medienpraktiken schärfen, die sich nicht ohne weiteres als solche erkennen lassen.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Forschungsinstituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt, des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin, des FG Kunstgeschichte am IBK der BTU Cottbus-Senftenberg, der Neuen deutschen Medienmacher*innen e.V. und des Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK).
Organisation: Susanne Wernsing (Berlin/Wien), Roland Meyer (Cottbus)
Die Teilnahme am zweitägigen Workshop ist kostenfrei, aber wegen der begrenzten Platzanzahl vor Ort nur mit vorheriger Anmeldung möglich.
Anmeldungen bitte per E-Mail bis spätestens 30. April an roland.meyer@b-tu.de.
Programm
Donnerstag, 5. Mai 2022
13:30 Begrüßung und Einführungen Ulrike Kremeier, Roland Meyer, Uffa Jensen, Felix Axster, Sun-Ju Choi, Susanne Wernsing
14:00 Bild-Zirkulationen
Uffa Jensen (Berlin), Antisemitische Bilder in Online-Kommunikationen
Katja Müller-Helle (Berlin), Hiding in Plain Sight. Rechte Bildstrategien und digitale Zensur
Janice Mitchell (Köln), Künstlerische Praxis und Analyse der Alt-Right: Die Arbeit von Joshua Citarella und Jonas Staal als Kritik und Gegenposition
16:00 Kaffeepause
16:30 Bilder in der Praxis
Kathrin Schuchardt (Weimar), „Von der Mythen-Bilderwelt zum Hater-Weltbild“ – Nationalist Lifestyle, Mimikry-Codes und die Appropriation der verhassten Vielfalt
Stefan Schurmann (Cottbus), Strategien gegen rechtsextreme Memes in der Jugendarbeit
Chadi Bahouth (Berlin), Rassismuserfahrungen und übersehene/vorhersehbare Konflikte
19:00 Lecture Performance
Arne Vogelgesang (Berlin), Entzündliche Schnittstellen. Kollisionen künstlerischer und politischer Ambivalenzproduktion