
Konzert. Crazy Twins mit dem Kairos Quartett
LUFT I WURZELN 2022
Seit seiner Gründung 1996 widmet sich das Kairos Quartett der Aufführung richtungweisender Kompositionen des ausgehenden 20. und des 21. Jahrhunderts und kuratiert viele Projekte selbst. Nach 25 Jahren mit weltweit zahlreichen Auftritten und diversen Tonträger-Produktionen schlägt das Berliner Ensemble in neuer Besetzung den Weg Richtung Zukunft ein. In diesem Rahmen spielt das international renommierte Streichquartett vom 6. bis 8. Mai 2022 das erste Programm „Crazy Twins“ im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Frankfurt/Oder (06.05.) und Cottbus (07.05.)
Er habe Luftwurzeln, das ist Sandeep Bhagwatis Antwort auf die Frage nach seiner „Heimat“. Dieser Idee einer flüchtigen, sich stets bewegenden und verändernden Heimat geht das Kairos Quartett mit Musik von zwei grundverschiedenen Komponisten nach. Bhagwati (geb. 1962), der in Mumbai und Stade aufwuchs, in Salzburg, München und Paris studierte, lebt seit Längerem in Montréal und Berlin sowie neuerdings Zürich. Gabriel Iranyi (geb. 1946) hat seine Wurzeln als in Rumänien aufgewachsener ethnischer Ungar, der seit Jahrzehnten in Berlin lebt, in der Kultur Mittel- und Osteuropas. Beide gelten als deutsche Komponisten. Iranyis meisterhaftes kompositorisches Handwerk kontrastiert auffällig mit Bhagwatis Einsatz von offenen Formen, Elektronik, Mediatisierung, außereuropäischen Einflüssen bis hin zur Gründung entsprechender Ensembles und zur Konzeption „komprovisatorischer“ Stücke. Vielfach ergeben sich ästhetische Bezüge zur Ausstellung, z.B. durch Effekte der Mehrfachbelichtung von Photographien in Bhagwatis nightbirdsong, wenn derselbe Gedanke zeitlich versetzt in mehreren Instrumenten erscheint. In seiner dem amerikanischen Experimentalisten James Tenney gewidmeten Stele III wiederum entsteht eine Unschärfe durch die parallel geführten Violinen, während die tieferen Instrumente des Quartetts kommentieren und verzieren.
Für Iranyi sind der Materialgedanke und seine strukturelle Behandlung zentral, insbesondere hinsichtlich Klangfarben und Tonhöhenabständen sowie daraus abgeleiteten Skalen,die er als Loop verwendet und u.a. durch Verkürzung der Elemente beschleunigt. Iranyis Quartettschaffen lässt sich etwa mit den abstrakteren Arbeiten von Kathrin Barras zusammendenken, bei denen die ursprünglichen Artefakte und Kontexte nicht mehr unmittelbar erkennbar sind, sondern der ästhetische Gesamteindruck in den Vordergrund tritt.
Konzert im Rahmen der Ausstellung Kathrin Karras. Farbflüchtige Lieder
Besetzung
Veronika Paleeva (altern. VI)
Alicja Pilarczyk (altern. VI)
Simone Heilgendorff (Va)
Claudius von Wrochem (Vc)